Die Frage, ob wir Kriyas selbst machen, gibt es unterschwellig schon seit Jahren. Und nun soll diese Diskussion von einem unserer „Elders“ (Im Sinne von Alten und evtl. Weisen einer Gemeinschaft) breiter geführt und legitimiert werden. Wir danken ihm, dass er sich hinstellt und das Thema salonfähig macht. Wassermannzeitalter heißt: Alles kommt ans Licht, wird hinterfragt und jede Person selbst muss ihre vertiefte Antwort finden.
Wie gut: Das Wassermannzeitalter fordert uns heraus und Entwickelung beginnt. Entwickelung aus Dingen, die wir nicht brauchen und freiwilliges Festhalten an Dingen, die wir für Richtig erachten.
Unser Team stellt sich der Diskussion. Wir wollen Fakten und Statements, die uns eingefallen sind mit euch teilen und sind auf eure Antworten per Mail gespannt . Wir finden den Austausch superwichtig deshalb öffnen wir dafür auch unseren Telegrammkanal:
Wir wollen Dich einladen, an unserer Diskussion teilzunehmen und Deine Gedanken mit uns zu teilen. Wir selbst, das Prana Jio-Team, bringt unterschiedliche Gesichtspunkten ein und wir sind hier selbst in einem Findungsprozess – an dem wir Dich mit teilhaben lassen wollen.
Wir wünschen Dir viel Freude beim Lesen und freuen uns auf Deine Beteiligung an unserer gemeinsamen Diskussion.
Selbstgemachte Kriyas?
Schon seit Jahren läuft die Diskussion in unsrer Kundaliniyoga-Community, ob wir Kriyas selbst erschaffen sollen und können. Mit seiner Seelenreise, dem Astroyoga und Baumyoga hat unser Kollege Satya Singh schon einige Vorlagen gelegt und spricht auch auf dem Deutschen Kundalini Yogafestival offen werbend für eine neue Freiheit im Kundaliniyoga. Auch die KollegInnen aus der Karam Kriya-Schule haben eigene Karam Kriya-Übungsreihen, die als solche noch gekennzeichnet sind. Es gibt schon seit 40 Jahren eigene Schwangerenyoga- und Rückbildungsyoga-Kriyas. Im Seniorenyoga werden die Übungen so weit abgeändert, dass es fraglich ist, ob sie noch die gleiche Wirkung haben (welche Wirkung haben unsere Kriyas überhaupt?). In unserer Prana Jio-YogalehrerInnenausbildung legen wir viel Wert auf gute Aufwärmübungen und angepasste Ausführung der Asanas – je nach Fähigkeit der Personen. Wir benutzen auch Hilfsmittel. Ist das nicht schon längst eine eigenen Kriya? Vermutlich arbeitest du selbst auch so. Wie hältst du es z.B. mit den Zeiten bei 5 Minuten Stretchpose?
Thesen und Gedanken vom Prana Jio-Team:
Bisherige Unveränderbarkeit einer Kriya:
Bisher ist die Unveränderbarkeit einer Kriya nach Yogi Bhajan eine der Säulen im Kundaliniyoga. Das ist unser Kodex, den wir noch immer unterschreiben, und auch unser internationaler Standard. Dadurch können SchülerInnen, egal wohin sie gehen, ob in Südafrika oder in Hamburg, ob in Freiburg oder auf Mauritius, davon ausgehen, dass die Kriyas nach klaren Kriterien unveränderlich immer „gleich“ unterrichtet werden. Selbst bei der Kürzung einer Kriya ist die Regel: immer proportional. Alle veröffentlichten Kriyas nach und mit KRI Siegel haben dieses geprüfte Kriterium. Bisher gingen viele davon aus, dass Yogi Bhajan genau wusste, was er wann unterrichtete und für wen, und die Wirkung vollumfänglich wahrnehmen konnte; dass seine Kriyas gleichzeitig die unterschiedlichsten Systeme ansprechen und heilsam wirken (Organe, Myofasziales System, Mind, Mantra, Affirmation, Meridiane, Lymphsystem, Lunge, Prana mit Vayus, Elemente, die 11 feinstofflichen Körper, Chakren etc…). Bei einigen Kriyas hat er auch die Referenz seines Lehrers benannt oder den Siri Guru Granth Sahib als Bezugsquelle angegeben.
Aber die Fragen lauten: Ist es ok und erlaubt und erwünscht, Kriyas, Philosphien etc. an ihre jeweilige Zeit mit ihren Bedürfnissen anzupassen? Oder ist es richtig, 2023 eine Kriya von 1970 unverändert anzuleiten, einfach weil es das Mysterium darum mit seiner tiefen von uns allen erfahrenen Wirkung gibt?
Unfehlbarkeit und Unveränderbarkeit?
Nun ist Yogi Bhajan am 6.Oktober 2004 verstorben und durch einige Indizien in Misskredit geraten. Seine Unfehlbarkeit ist für viele nicht mehr vorhanden. Sie stellen sich die Frage: Warum sollten dann seine Kriyas so unfehlbar sein? (Wirken sie evtl. vor allem durch die Affirmation, die wir ihr geben? Dass wir sie für unfehlbar erklären?)
Anderen stellt sich die Frage in der Radikalität nicht, sie wünschen sich einfach eine Weiterentwickelung dieser wunderbaren Methode.
Und dann sind da diejenigen, die sagen: ich habe diese unglaublichen Wirkungen selbst an mir und meinen WeggefährtInnen aus der Community erfahren, egal was man über unseren Lehrer sagt – in dieser Hinsicht war er famos und unübertrefflich.
Wir sind im Wassermannzeitalter angekommen, in dem Normen verschwinden und die Individualisierung zunimmt. Viele bekannte LehrerInnen treten aus KRI aus und beginnen ihr eigenes Profil auch durch eigene Kriyas zu schärfen.
Individualität durch Lehre
Noch veränderlicher als die Anleitungen sind die Aufwärmübungen, die oft sehr lang, frei und auch inspiriert von anderen Yogatraditionen sehr unterschiedlich ausfallen und zumindest faszial, muskulär und energetisch ganz eigene Wirkungen erzielen. Wird dadurch nicht auch schon eine Kriya verändert? Wir retten uns durch diese Frage hindurch indem wir uns nach den Aufwärmübungen einstimmen…ist das nicht Augenwischerei?!
Im Prana Jio-Team gab es folgende Stimmen:
- Die Realistinnen: Wir sind im Wassermannzeitalter, Normen verschwimmen, es wird nicht zu verhindern sein, also lasst uns das Beste daraus machen und Menschen echt schulen damit sie das können.
- Die Zeiten ändern sich sowieso, also warum nicht auch diese Norm.
- Die HardlinerInnen: Lasst uns das nicht so einfach loslassen, lasst uns erstmal interdisziplinär die Kriyas erforschen, bevor wir selbst welche basteln. Ja und nach Stufe 3/Yogatherapie, da könnte man multidisziplinär Kriyas gezielt für einzelne KlientInnen entwickeln.
- Nichts ändern bevor nicht eine vertiefte Analyse der bestehenden Kriyas stattgefunden hat.
....und wir sind noch in der Diskussion:
- Es müsste immer klar ersichtlich sein, wer die Kriya entwickelt hat und zu welchem Datum und aus welchen fachlichen Gesichtspunkten. Es sind im Moment einige Bücher mit selbst entwickelten Kriyas im Umlauf, von denen viele nicht wissen, dass es keine „originalen“ Kundaliniyoga-Kriyas sind: Satya Singh, Thomas Wesselhöft u.a.
Manche wurden rückwirkend von Yogi Bhajan legitimiert, andere nicht. Wenn wir das Thema endlich ans Licht holen, müsste es das nicht mehr geben. Wir alle wüssten dann genauer Bescheid.
- Die Gefahr, die wir sehen ist, dass am Ende nur noch wenig von unserem bisherigen wiederholbaren Kundaliniyoga-Profil übrig bleibt. Es in 20 Jahren lauter unterschiedliche einzelne Zellen geben wird, die unvernetzt in ihrer eigenen Suppe schwimmen. Bisher hatten wir eine Community, die eine gemeinsame Sprache im Unterricht, der Meditation und der Spiritualität gesprochen hat. Andererseits dürfen sich im Wassermannzeitalter ja auch verschiedenen Communities bilden, die sich dann in Freiheit gegenseitig besuchen und inspirieren. Für Dinosaurier fühlt sich das schmerzhaft an.
Schon vor zwei Jahren haben wir im Prana Jio-Team entschieden, dass sich bei der Abschlussprüfung unserer Prana Jio-Stufe 3/Yogatherapieausbildung Menschen mit verschiedenen Schwerpunkten zusammentun können, um entweder eine Kriya gezielt für einen Klienten neu zu entwickeln oder eine Yogi Bhajan-Kriya aus verschiedenen Gesichtspunkten zu hinterfragen und zu erforschen.
Folgende Anregungen haben wir an die Sangat:
Wir rufen dazu auf, dass eine interdisziplinäre Diskussion und Analyse der vorhandenen Kriyas stattfindet. Lasst uns aus Sicht von Osteopathie, Karam Kriya, Sat Nam Rasaan, Myofasziealen System, Lymphsystem, Meridianen, TCM und Akupunkturpunkten, von Ayurveda und Marmapunkten etc… das Bestehende erforschen und noch besser kennenlernen, bevor wir das Alte verändern und Neues erschaffen. Wenn wir uns erlaubt haben, hier in die Tiefe zu sehen, lasst uns den nächsten Schritt gehen: Kriyas selber bauen
Diese Forschung sollte mit zwei klassischen Kriyas (bsp. Nabhi Kriya und Balance the Tattwas) beginnen und wäre ein wunderbares Projekt, welches unser Verein verfolgen kann, es wäre öffentlichkeitswirksam und würde Kundaliniyoga sicher voran bringen.
Unsere Befürchtung ist, dass Kriyas sonst zu einseitig entwickelt werden, sprich aus nur einem oder zwei Blickwinkeln und Kundaliniyoga seine unglaubliche Wirkung verliert. Andererseits könnte aber auch genau das bei den neu entwickelten Kriyas stehen: entwickelt aus dem Blickwinkel der Zahlen von Karam Kriya oder dem Myofaszialensystem und den Meridianen. Dann wüssten wir am Ende sogar mehr als bei den Kriyas von Yogi Bhajan….aber ist Wissen alles?
Ihr seht, die Diskussion dreht sich im Kreis und geht immer weiter. Lasst uns also unseren Mind für die Forschung nutzen, statt fürs Karussell fahren.
Hast Du dazu auch eine Meinung, dann schreib uns eine Mail:
Oder noch besser: nimm teil an der Diskussion auf unserem Prana Jio-Telegram Kanal
Wir freuen uns auf Deine Beteiligung an dieser tiefgreifenden Diskussion!